
Streim, Gregor: Das 'Leben' in der Kunst
Untersuchungen zur Ästhetik des frühen Hofmannsthal. Die Frage nach Hofmannsthals Konzeption des Verhältnisses von 'Kunst und Leben' führt direkt in das Zentrum seiner Ästhetik. Sie leitet auch diese Untersuchung zur Ästhetik des frühen Hofmannsthal. Anhand der frühen poetologischen und kunstkritischen Texte bestimmt Streim die ästhetische Position Hofmannsthals im Kontext der deutschen und europäischen Moderne und unternimmt auf dieser Basis eine Neuinterpretation des dramatischen Frühwerks. - Da der Ästhetizismusbegriff in kultur- und literaturgeschichtlichen Darstellungen mit sehr unterschiedlicher Bedeutung und in den verschiedensten Zusammenhängen verwendet wird, beginnt diese Studie im ersten Kapitel mit einer notwendigen Begriffsklärung. Zunächst wird die Geschichte der Kategorie verfolgt, um anschließend eine eigene Definition von Ästhetizismus in Hinblick auf ein bestimmtes, verschiedenen Autoren der Jahrhundertwende gemeinsames Kunstprogramm zu entwickeln. Der kunsttheoretische Bezugsrahmen des Ästhetizismusbegriffs wird im zweiten Kapitel vertieft. Hier werden die Grundlagen der ästhetizistischen Kunstkonzeption in den theoretischen Schriften Wagners und Nietzsches untersucht. Dabei geht es zum einen um den Zusammenhang von Moderne-Kritik (Décadence-Kritik) und emphatischem Kunstbegriff und zum anderen um die spezifisch modernen Aspekte der Ästhetik Wagners und Nietzsches, wie die Psychologisierung der Schönheitserfahrung und die wirkungsästhetische Betrachtung der Kunst. Im dritten Kapitel werden die frühen, 1891-96 entstandenen kritisch-essayistischen Texte Hofmannsthals auf die ihnen zugrunde liegende Kunstkonzeption befragt. Die Untersuchung verfolgt dabei einzelne Leitbegriffe der Kritik, wie Dilettantismus und 'Ästhetismus', in denen sich Hofmannsthals Auseinandersetzung mit der künstlerischen Moderne kristallisiert und an denen seine eigene Position deutlich wird. Einen Schwerpunkt bilden Hofmannsthals Aussagen zum englischen Symbolismus, v.a. zu den Präraffaeliten und zu Walter Pater, von denen er wichtige Ideen übernahm. Einen anderen Schwerpunkt bilden seine poetologischen Stellungnahmen in dem Vortrag Poesie und Leben und in dem 1903 entstandenen Gespräch über Gedichte. In ihnen wird deutlich, daß Hofmannsthal den von ihm kritisierten Tendenzen der Moderne die Vorstellung einer künstlichen Kunst und einer ästhetisch-scheinhaften Wahrnehmung entgegensetzt. Die aus den essayistisch-kritischen Texten gewonnene Bestimmung von Hofmannsthals Kunst- und Schönheitsbegriff ermöglicht eine Neuinterpretation seines dramatischen Frühwerkes. Dies wird im vierten Kapitel vorgeführt. Ausgewählt wurden die drei frühen Einakter "Der Tod des Tizian" (1892), "Der Tor und der Tod" (1893) und "Die Frau im Fenster" (1897), von denen die beiden ersten grundlegende Texte der Debatte um Hofmannsthals Ästhetizismus sind. Mit welchen formalen Mitteln Hofmannsthal seine Kunstkonzeption literarisch umzusetzen versucht, und in welchem Verhältnis ihr Inhalt zu dieser Vorstellung steht, soll hier geklärt werden. Die Stücke erscheinen dabei in neuer Perspektive. Bisher wurden sie durchgängig als eine Kritik der 'ästhetischen Existenz' interpretiert; jetzt zeigt sich ihr Gehalt in der ästhetischen Reflexion. 229 Seiten und 8 Tafeln, broschiert (Epistemata. Reihe Literaturwissenschaft; Band 171/Königshausen & Neumann 1996) leichte Lagerspuren