Heikle Balancen
Die Weimarer Klassik im Prozess der Moderne. Hrsg. von Thorsten Valk. 14 Beiträge aus unterschiedlichen Disziplinen beschreiben die Weimarer Klassik als den Versuch, die Gegensätze der Umbruchszeit um 1800 in eine Balance zu bringen, die nicht selten heikel erscheint. Gegliedert ist der Band entlang der Begriffspaare Antike und Moderne, Normativität und Historizität sowie Empirie und System. - Um 1800 formiert sich die ästhetische Moderne in Reaktion auf die sozialen, kulturellen und epistemischen Umbrüche der Aufklärungsepoche. Die Akteure in Weimar und Jena, den frühen Zentren der ästhetischen Moderne, reflektieren die gesellschaftlichen Veränderungen und wissenschaftlichen Paradigmenwechsel ihrer Zeit, indem sie nach Balancen zwischen jenen Gegensätzen suchen, die im Zuge des fortschreitenden Modernisierungsprozesses immer deutlicher zutage treten. Sie fragen nach Vermittlungen zwischen Natur und Kunst, Sinnlichkeit und Vernunft, Antike und Moderne, Idealität und Realität. Da diese Vermittlungen zwangsläufig heikel bleiben, führt das fortgesetzte Streben nach Ausgleich zu immer neuen ästhetischen Versuchsanordnungen, die als spezifischer Beitrag der Weimarer Klassik und ihres Umfeldes zur frühen Moderne gelten können. Die Beiträge analysieren das zwischen Normativität und Historizität changierende Kunstverständnis der Weimarer Klassik, ihre spezifisch modernen Antikenbezüge sowie die morphologische Naturauffassung Goethes. Ästhetische Theoriebildung und materielle Überlieferung werden in »wiederholten Spiegelungen« aufeinander bezogen. Inhalt: Thorsten Valk: Heikle Balancen. Zu einer Denkfigur der Weimarer Klassik. - Martin Hose: Die Erfindung einer modernen griechischen und römischen Literaturgeschichte. Gewinne und Verluste. - Thorsten Valk: Agon mit den Alten. Figuren der Konkurrenz und des Ausgleichs in Schillers Rezeption der attischen Tragödie. -Christian Scholl: An den Grenzen der klassizistischen Autonomieästhetik. Die "Parze Atropos" von Asmus Jakob Carstens. - Martin Dönike: Irritationen des Sinns und der Einbildungskraft. Die modernen Antiken der goethezeitlichen Reproduktionsdruckwerke. - Elisabeth Décultot: Normativitat und Historizität, Idealität und Empirie. Überlegungen zu einigen Antinomien Winckelmanns. - Mathias Mayer: Mythos und Ironie. Goethes Relativitätspoesie. - Ernst Osterkamp: Zum Verständnis des Klassischen in der Weimarer Klassik. - Johannes Rössler: Im Blick der Medusa Rondanini. Aporien klassizistischer Theoriebildung in Zeichnungen von Johann Heinrich Meyer und Friedrich Bury. - Alexander Rosenbaum: Johann Heinrich Meyers Gemälde "Der Genius des Ruhms". Klassizistische Norm und zeithistorischer Appell. - Friedrich Steinle: "Erfahrung der höhern Art". Goethe, die experimentelle Methode und die französische Aufklärung. - Michael Gamper: Systematisches Nicht-Wissen. Poetologie der Hypothese zwischen Wissenschaft und Literatur. - Jutta Müller-Tamm: Der Autor im Selbstversuch. Wissenschaft und Autobiographik um 1800. - Johannes Grave/Jonas Maatsch: Das Allgemeine im Anschaulichen. Morphologische Reihen in Goethes Sammlungen. 323 Seiten mit 46 Farb- und 5 s/w-Abb., Leinen (Schriftenreihe des Zentrums für Klassikforschung; Band 1/Wallstein Verlag 2014) leichte Lagerspuren