Kleisner, Friederike: Körper und Seele bei Georg Christoph Lichtenberg

Ziel dieser Arbeit ist die Darlegung der Auseinandersetzung des Naturwissenschaftlers Lichtenberg mit dem Problem um die Bedeutung, Art und Wesen von Körper und Seele, ihrem Verhältnis zueinander, sowie mit seinen damit verbundenen Gedanken über die Stellung des Menschen in Zeit und Raum. Lichtenberg beschäftigte sich zeit seines Lebens mit den komplexen Beziehungen zwischen Körper und Seele. Der besondere Reiz des Themas liegt u.a. darin, daß in der Umbruchszeit des 18. Jahrhunderts die Vorstellungen von Körper und Seele eine grundlegende Neubewertung erfuhren. Wer immer sich damit beschäftigte, war mit einer Fülle theoretischer Ansätze konfrontiert. Lichtenberg vermeidet es, seine Wahrnehmungen in eine Systematik zu fassen. Dabei erleichtert es ihm eine multiperspektivische Sichtweise, das (vermeintlich) Divergierende zusammenzusehen. Als ein besonders geeignetes Medium der Erkenntnis dient Lichtenberg der Traum. Seine Grundgedanken lassen sich etwa so zusammenfassen: Körper und Seele bilden eine eigenständige Einheit, eine Ganzheit, die im großen Zusammenhang der Natur steht. Was sich in Körper und Seele vollzieht, ist der Natur (den Naturgesetzen) gemäß. Körper und Seele wirken unablässig aufeinander ein und fungieren wechselseitig als Erkenntnisorgane. Im Mittelpunkt der Einheit Mensch steht ein 'Selbst', das die Fähigkeit zu transpersonalen und transzendenten Bezügen besitzt. Die (unsterbliche) Seele ist auch imstande zu wandern. Lichtenberg nimmt Einsichten vorweg, die die spätere Psychoanalyse als Somatisierung, Verdrängung, Verschiebung usw. gedeutet hat. Damit leistet er einen beträchtlichen Beitrag zur Herausbildung einer modernen Anthropologie. 160 Seiten, broschiert (Epistemata. Reihe Literaturwissenschaft; Band 239/Königshausen & Neumann 1998) leichte Lagerspuren