
Pietsch, Walter: Zwischen Reform und Orthodoxie
Der Eintritt des ungarischen Judentums in die moderne Welt. Im Ungarn des 19. Jahrhunderts prallten die Gegensätze zwischen assimilationsbereiten Reformjuden und an der Tradition festhaltenden osteuropäischen Juden besonders radikal aufeinander. Pietsch untersucht dieses Spannungsverhältnis im europäischen Kontext. - Das ungarische Judentum bildete im 19. Jahrhundert die größte deutschsprechende jüdische Gemeinschaft außerhalb Deutschlands. Darüber hinaus bestanden enge Wechselbeziehungen zwischen ungarischen und westeuropäischen Juden. Aus dem ungarischen Judentum, das integraler Bestandteil der k.u.k. Monarchie war, gingen maßgebliche Anstöße für Ultra-Orthodoxie und Zionismus hervor, die bis heute Kernelemente der Auseinandersetzung über Reform und Tradition sind. Im Königreich Ungarn war im 19. Jahrhundert das Emanzipations- und Integrationsangebot für die Juden zwar sehr viel umfassender als in den Nachbarländern. Hier prallten aber auch die Gegensätze zwischen assimilationsbereiten Reformjuden und an der Tradition festhaltenden osteuropäischen Juden viel schärfer und radikaler aufeinander als in irgendeinem anderen osteuropäischen Land. Der Band enthält acht Einzelstudien, die dieses einzigartige Spannungsverhältnis im europäischen Kontext untersuchen und deutlich machen, welche wichtigen Anstöße für die tragische Spaltung im ungarischen Judentum von Deutschland ausgingen: Hier ist beispielhaft die von Samson Raphael Hirsch in Frankfurt begonnene Neo-Orthodoxie und Austrittsbewegung zu nennen. Zugleich werden die Auswirkungen des Spannungsverhältnisses von Reform und Orthodoxie auf den Modernisierungs- und Integrationsprozeß des ungarischen Judentums dargestellt. Aus dem Inhalt: Einführung: Das ungarische Judentum im 19. Jahrhundert. - 1. Die jüdische Einwanderung aus Galizien und das Judentum in Ungarn. - 2. Deutsche, Juden und Ungarn am Vorabend der Revolution von 1848/49: Das Spannungsverhältnis von Städtereform und Emanzipation der Juden. - 3. Reform und Orthodoxie: Zum Einfluß der deutsch-jüdischen Presse auf das ungarische Judentum in der Revolution von 1848/49. - 4. Orthodoxie und Reform: Die Einwirkung des deutschen Judentums auf die Spaltung des ungarischen Judentums auf dem Jüdischen Kongreß von 1868/69. - 5. Von Chat am Sofer zu Theodor Herzl: Das Verhältnis von Orthodoxie und Frühzionismus im Königreich Ungarn. - 6. Über die Wurzeln der jüdischen Ultra-Orthodoxie im ungarischen Judentum Gestalt und Wirken von Rabbi Chaim Josef Sonnenfeld. - 7. Oszkär Jäszi und seine Haltung zur Judenfrage in Ungarn. - 8. Der Friedensvertrag von Trianon und das ungarische Judentum. 176 Seiten, broschiert (Philo Verlag 1999) Lagerspuren