
Duby, Georges: Die Zeit der Kathedralen
Kunst und Gesellschaft 980-1420. Übersetzt von Grete Osterwald. Duby geht es in seiner Darstellung der mittelalterlichen Kunst nicht um Ikonographie oder Stilgeschichte. Er stellt das Kunstwerk in den sozialen und geistesgeschichtlichen Rahmen seiner Zeit. Wenngleich die künstlerische Produktion die Perspektive dieser Arbeiten stets bestimmt, gehört der größere Raum doch der Darstellung der sozialen, ökonomischen, politischen und kulturellen Entwicklungen, in deren Rahmen sich die Kunst, deren Brennpunkt die Kathedrale bildet, entfaltete. So zeichnet er die ökonomischen Wandlungen jener Zeit nach, den Aufschwung der Landwirtschaft um die Jahrtausendwende, die Rückschläge durch Epidemien, die Entwicklung des Handels mit ihrer Erschließung neuer Märkte und der Verlagerung von Handelswegen, die ganze Landstriche aufblühen oder veröden ließ. Er schildert die Veränderungen in den Machtkonstellationen zwischen dem Kaiser, den Königen und dem Feudaladel und zwischen ihnen und der Kirche, aus denen neue Auftraggeber, neue Mäzene und neue Ausdrucksbedürfnisse für das Kunstwerk erwuchsen. Er geht den Reformbewegungen des Mönchtums nach, dem stets erneuerten Spannungsverhältnis zwischen dem Ideal persönlicher Armut und dem kollektiven Reichtum der Klöster, das die Kunst der Klosterkirchen ebenso beeinflusste wie die gesellschaftliche und innerkirchliche Position des Mönchtums. Er stellt schließlich die großen geistigen Strömungen dieser vier Jahrhunderte vor, die Kämpfe zwischen Mystik und aristotelischem Rationalismus in Theologie und Philosophie; die Wandlungen des Volksglaubens, der zwischen apokalyptischer Vision und der Affirmation eines oft doch nur allzu bescheidenen irdischen Genusses oszilliert; die großen Ketzerbewegungen dieser Zeit, die von der Papst-Kirche im Blut erstickt wurden. Das Kunstwerk begreift Duby als Ausdruck dieser Momente, freilich nicht als direkten und schon gar nicht als universellen Ausdruck, denn in den Widersprüchen, den Übergängen und Brüchen der Geschichte vermag es stets nur partiell die Zeit zu repräsentieren. 561 Seiten und 33 Tafeln, gebunden (Suhrkamp Verlag 1980) leichte Lagerspuren
Weitere Bücher von Georges Duby
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