
Ruf, Oliver: Wischen und Schreiben
Von Mediengesten zum digitalen Text. Was unterscheidet Schreiben und Wischen? Welche Implikationen hat es, wenn das Tippen durch Bewegungen über Tastaturfelder ersetzt wird? Von der Gestaltung der Medien zur Ästhetik des Schreibens - Von der Praxis des Schreibens zur Theorie der Medien. - Der Begriff des »wischenden Schreibens« meint die Privilegierung einer »Geste«, die für digitale Anwendungen im Hinblick auf die Nutzung und Bedienung entsprechender Medien-Geräte zentral geworden ist. Eine genuin körperlich ausgeführte Bewegung auf deren Oberfläche – realisiert mit den Fingern der menschlichen Hand – macht eine Handhabbarkeit der ersten sowie aller folgender Generationen von Smartphones und Tablet-Computer überhaupt erst möglich. Diese Entwicklung zeitigt zugleich neue Implikationen für Erscheinungen, die mit Momenten von »Schrift«, »Schreiben« und dann auch von »Hand-Schriften« einhergehen. So schreibt weiterhin die Hand, indem sich die Finger bewegen; sie ahmen traditionelle Schreib-Bewegungen (wie sie etwa bei der Benutzung von Schreibmaschinen üblich sind) nach und doch handelt es sich um einen anderen haptisch-körperlichen Akt des Schreibens. Dieser nimmt bekannte medientheoretische Bestimmungen wörtlich und macht damit mit ihnen ernst. Wie sich eine solche diskursive Ernsthaftigkeit behauptet, verortet dieser Band, ohne die konkrete Anwendungspraxis in künstlerischer Gestaltung, Kultur- und Medienpraxis aus den Augen zu verlieren. Dabei geht es sowohl um die Verortung »bewegten Schreibens« im Kontext einer »postmodernen Epochenschwelle« (Lyotard) als auch um die Fokussierung der Provokationen des Poststrukturalismus auf zentrale theoretische Fluchtlinien. Mithin gefragt werden soll, was sich am Schreiben und dann auch an der Konstitution von Schrift und Text im Kontext zentraler Kulturtechniken ändert. Durch »Neue« (digitale) Medien werden hier neue Medien-Nutzungs-»Bewegungen« und auch neue industrielle Medien-Produkte hervorgebracht; sie sind Repräsentationen eines kulturellen Wandels einschließlich desjenigen kultureller Praktiken und Produktionen, kultureller Artikulation und Organisation. Der Anlass des Bandes sind die begrifflichen und angewandten Konsequenzen einer Interpretation solcher Bewegungen und Gesten, so wie sie heute fast überall bei der Nutzung und Benutzung von Medien vorgenommen werden, was in besonderer Weise den Diskurs des Digitalen betrifft , der die Folgen von medialen Entwicklungen mit Diagnosen kultureller Artikulation diskutiert und sich für das Veränderungspotential »neuer« Technologien interessiert. - Oliver Ruf im Buch: "Das 'wischende' Schreiben schmückt sich mit dem Anschein, der unerlässlich ist, um seine Bewegung zu erwecken: es versucht, deren Ausrichtung auf ein Ziel hin zu imitieren. In diesem Verständnis operiert es in einer Als-ob-Logik: Die Buchstaben werden geschrieben, als ob sie getippt wären. Sie sind jedoch gewischt. Das ist er, der Clou des 'bewegten' Schreibens, der den Körper ins virtuelle Gehäuse des Mediums sperrt." - "In- und Output von Wischen und Schreiben sind mithin Mediengewohnheiten, die sich tendenziell weiter ausbreiten, und diese Techniken sind derart prominent, dass sich die Möglichkeiten des Schreibens immer weiter an der diesen Medien eigenen Potentialen orientieren". 163 Seiten, gebunden (Kulturverlag Kadmos 2014) leichte Lagerspuren