John Heartfield
Das Berliner Adressbuch 1950-1968. Im Auftrag der Akademie der Künste hrsg. von Christine Fischer-Defoy und Michael Krejsa. Mit einem Geleitwort von Werner Heegewaldt. Was kann ein privates Adressbuch über einen Menschen erzählen? Die kommentierten Adressbuchauszüge des Fotomonteurs, Plakatkünstlers, Bühnenbildners und Buchumschlaggestalters John Heartfield im Zeitraum 1950 und 1968 gewähren Einblicke nicht nur in das private und soziale Umfeld, sondern zeugen auch von der Lebens- und Arbeitssituation eines "West-Emigranten" in der DDR. - Das im Archiv der Akademie der Künste, Berlin überlieferte Adressbuch Heartfields benutzte dieser seit seiner Rückkehr aus dem Londoner Exil in die DDR, also zwischen 1950 und seinem Tod 1968. Es stammt somit aus einer für viele "West-Emigranten" in der DDR schwierigen Zeit. Die Adressbucheinträge reichen von Tierärzten und Hundepensionen über Fotolabore und Druckereien, Theater und Buchhandlungen, Mitglieder aus der Akademie der Künste, Freunde und Kollegen aus West-Berlin und dem Londoner Exil, bis zum ZK der SED und der DDR-Regierung. Den Herausgebern ist es gelungen, John Heartfields privates und berufliches Netzwerk zu entschlüsseln. Fotos, Briefe und biografische Dokumente aus dem John-Heartfield-Archiv der Akademie der Künste dienten dafür als Grundlage. Die Verbindungen reichen von Freunden aus dem Exil über Künstlerkollegen in Ost und West, von politischen Kontakten zur SED bis hin zu eher skurrilen Adressen, wie der von Anton, dem Bruder des von Heartfield geliebten Cockerspaniels Adam. Auszüge aus dem Adressbuch werden um biografische Anmerkungen, Anekdoten und Briefzitate von etwa 120 Adressatinnen und Adressaten bereichert - von Becher und Brecht über Havemann und Heym bis zu Piscator und Seghers. So entsteht ein detailreiches Bild der Lebens- und Arbeitssituation Heartfields in der DDR. In den Kommentaren werden die vielfältigen Beziehungen lebendig. Vor allem wird deutlich, wie schwer es für den politischen Fotomonteur war, nach seiner Rückkehr 1950 in der DDR Fuß zu fassen. Aufgrund des "falschen" Exils in England klebte an dem Westemigranten der Makel der politischen Unzuverlässigkeit. Durch den Einsatz von Bertolt Brecht und anderen Freunden gelang erst spät die Aufnahme in die Deutsche Akademie der Künste. Eine Einzelausstellung blieb ihm lange verwehrt. Den vielen ausgewerteten Dokumenten ist eines gemein. Sie zeigen eine andere Seite des kompromisslosen und radikalen Kämpfers gegen den Faschismus, einen empfindsamen Künstler, der sich in seinem Freundes- und Bekanntenkreis großer Beliebtheit und Zuneigung erfreute. 200 Seiten mit 91 teils farbigen Abb., gebunden (Quintus Verlag 2020) leichte Lagerspuren