Ungerechtes Recht
Hrsg. von Ulrike Müßig. Acht Beiträge eines Symposiums zu Ehren von Dietmar Willoweit, München 2011. Im rechtspositivistischen Credo moderner Jurisprudenz dürfte es ungerechtes Recht streng genommen gar nicht geben. Doch nicht zuletzt die totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts fordern die Frage nach den Grenzen des Rechts heraus. Über die auf die Gesetzgebung fokusierte rechtsphilosophische Diskussion der Kelsenschen Normlogik hinaus stellt der Band die Frage nach den Grenzen des Rechts auch für die richterliche Urteilstätigkeit und das exekutive Verwaltungshandeln. - Alles Nachdenken über das Recht ist von der Gerechtigkeitsfrage begleitet, die sich einer Lösung durch rein formale Kategorien der Logik oder der verfahrensmäßigen Betrachtung entzieht. Die inhaltlichen Wertungen der Gerechtigkeit werden im Diskurs über Rechtsethik und soziale Verantwortung geprägt. Misslingt dieser Diskurs oder wird er von einer autoritären Staatsgewalt diktiert, geht der Rechtscharakter der vom Staat erlassenen Normen nicht per se verloren. Recht ist inhaltlich neutral und bestimmt sich allein als Willensakt des Gesetzgebers, gegebenenfalls innerhalb verbindlicher verfassungsrechtlicher Grenzen. Die Prominenz der "Reinen Rechtslehre" Hans Kelsens, die das Recht als Norm nach deren Logik analysiert, ist nicht zufällig. Schon aus methodischen Gründen bildet das rechtspositivistische Credo die Grundlage der modernen Jurisprudenz ebenso wie der rechtshistorischen Forschung. Den Rechtspositivismus stellen Erfahrungen ungerechten Rechts in Frage - die es bei striktem Beharren auf dieser Position gar nicht geben dürfte. Doch nicht zuletzt die totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts fordern die Frage nach den Grenzen des Rechts heraus, die sich auch für andere Epochen stellt. Dabei betritt der vorgelegte Band "Ungerechtes Recht" insoweit Neuland als er über die auf die Gesetzgebung fokusierte rechtsphilosophische Diskussion der Kelsenschen Normlogik hinaus die Frage nach den Grenzen des Rechts auch für die richterliche Urteilstätigkeit und das exekutive Verwaltungshandeln stellt. Aus dem Inhalt: Alexander Ignor: Wahrheit und Gerechtigkeit als Ziele des Strafverfahrens in Geschichte und Gegenwart. - Ulrike Müßig: Summum ius, summum iniuria - Zur Korrekturbedürftigkeit des strengen Rechts in deutschen und englischen Rechtsquellen. - Steffen Schlinker: Rechtsverweigerung nach mittelalterlichen Rechtsquellen. - Ignacio Czeguhn: Sklavereigesetzgebung im Spanien der frühen Neuzeit sowie in den ersten Jahrzehnten der Kolonisierung in Amerika. - Christiane Birr: Sharing in the plunder, pitying the men? Normative Regelungen der Sklaverei im britischen Kolonialreich: Das Beispiel Barbados. - Fabian Wittreck: Administratives Unrecht. - Bernd Schildt: Administratives Unrecht im Alltag. Erinnerungen eines "gelernten DDR-Bürgers". - Dietmar Willoweit: "Ungerechtes Recht" oder "Grenzen des Rechts"? Ein Nachwort. 192 Seiten, broschiert (Mohr Siebeck 2013) leichte Lagerspuren