
Reimers, Kirsten: Das Bewältigen des Wirklichen
Untersuchungen zum dramatischen Schaffen Ernst Tollers zwischen den Weltkriegen. Wie ist es möglich, die Gesellschaft menschlicher zu gestalten? Diese Frage ist das zentrale Thema des politischen Schriftstellers Ernst Toller. In seinen Dramen und in seinem politischen Engagement versuchte er auf diese Frage Antworten zu finden. Doch angesichts der dramatischen politischen Entwicklungen in den ersten vierzig Jahren des 20. Jahrhunderts stellt sich das Problem immer wieder neu, mit immer neuen Aspekten. Kirsten Reimers zeigt, wie sich Tollers Bild der Gesellschaft im Laufe der Weimarer Republik und der Anfangsjahre des "Dritten Reiches" verändert und wie sich seine Einschätzung hinsichtlich der Möglichkeiten sozialer und politischer Umgestaltung wandelt. Ziel der Untersuchung ist eine Neubewertung seines dramatischen Werkes nach 1919. Die Dramen 'Die Wandlung' und 'Masse Mensch' werden lediglich unter dem Aspekt des messianischen Expressionismus betrachtet, um Tollers Distanzierung und seine Auseinandersetzung damit hervorzuheben. Diskutiert werden zudem das essayistische Werk wie auch Tollers politische Aktivitäten, um die Entwicklung seines Realitäts- und seines Politikverständnisses umfassend zu beleuchten. Toller bewegt sich aber nicht nur von den Abstraktionen des messianischen Expressionismus weg, die eigentliche Bewegung ist auf die konkrete Gegenwart hin gerichtet. Tollers künstlerischer Ausdruck entwickelt sich vom messianischen Expressionismus zu einem politisch engagierten neusachlichen Stil. Damit einher geht eine Auseinandersetzung mit der Gegenwart. Als erkenntnisfördernder Schlüssel erweist sich in der Analyse der Dramen die Frage nach dem Phänomen "Wirklichkeit": Wie kann die Gegenwart als Realität erfasst und wie kann sie künstlerisch dargestellt werden? Im Laufe der Zeit wird das Phänomen "Wirklichkeit" selbst als Problem relevant: Was ist Realität? Kann sie überhaupt erkannt werden? Festgemacht wird diese Auseinandersetzung an Tollers Bild der Gesellschaft. Tollers literarisches Werk, sein politisches und soziales Engagement sind geprägt von seinem Glauben "an eine Welt der Gerechtigkeit, der Freiheit, der Menschlichkeit, an eine Welt ohne Angst und Hunger". Dies zieht eine deutliche Aufwertung des nachexpressionistischen Werkes des umstrittenen Schriftstellers nach sich und provoziert gleichzeitig eine modifizierte Sichtweise der Neuen Sachlichkeit. 378 Seiten, broschiert (Schriften der Ernst-Toller-Gesellschaft; Band 2/Königshausen & Neumann 2000) leichte Lagerspuren