
Schneider, Ulrich Johannes: Die Vergangenheit des Geistes
Eine Archäologie der Philosophiegeschichte. Schneiders Analyse der Arbeit an der Rekonstruktion philosophiehistorischen Wissens zielt darauf, den Anfang dieser noch heute geläufigen (wenn auch modifizierten) Auffassung von Vergangenheit und Geschichte der Philosophie zu bestimmen. Im ersten Kapitel (Einsatz der Gelehrsamkeit) wird in Grundzügen die Revolution des Umgangs mit der Überlieferung vorgeführt, die im späten 18. Jahrhundert den völligen Bruch mit den Mustern der traditionellen, repräsentativen und nur methodisch versierten Gelehrsamkeit herbeiführt. Eine Hermeneutik der Lektüre und eine Pragmatik des Vorstellens beenden die alten Verfahrensweisen der Literarhistorie durch das neue Interesse an der 'Vergegenwärtigung' vergangener Philosophie. Das zweite Kapitel (Vorstellung der Vergangenheit) analysiert die pragmatische Konzeption der Philosophiegeschichte als Handlungszusammenhang, das dritte (Auslegung der Geschichte) stellt die Bedeutung des kulturhistorischen Wissens für die Arbeit der Geisteshistoriker heraus. Es geht in beiden Kapiteln nicht um den Rückgang auf alte, gegenwärtig überholte Forschungsprogramme, sondern (archäologisch) um die Beschreibung einer spezifischen Praxis der historiographischen Rekonstruktion, mit der die Rede von Vergangenheit und Geschichte des Geistes bzw. die Erzählung der Philosophiegeschichte überhaupt erst einsetzt. Die Fülle des herangezogenen Materials (über 300 häufig mehrbändige Werke) lässt in dieser Studie das Problem der Philosophiegeschichte in seiner ursprünglichen historischen Schwierigkeit (als Problem vor allem der Grenzen des Philosophischen zu Politik und Religion) deutlich werden. Das vierte Kapitel (Der Begriff der Philosophie) zeigt abschließend die Beschränktheit einer theoretischen Kritik, welche bereits um 1800 die gerade erst inaugurierte Geschichtsschreibung mit dem Anspruch eines philosophischen Selbstverständnisses konfrontiert, das die Vergangenheit des Geistes rein aus der Gegenwart seines Begriffs verstehen will. Mit der akademischen Realisierung dieses Anspruchs im 19. Jahrhundert verändert sich das Problem der Philosophiegeschichte, das dann als eines der Disziplin Philosophie und nicht mehr der Geistesgeschichte erscheint. 375 Seiten mit einigen Abb., gebunden (Suhrkamp Verlag 1990) leichte Lagerspuren, Schutzumschlag lichtrandig