Klinkert, Thomas: Muße und Erzählen: ein poetologischer Zusammenhang
Vom "Roman de la Rose" bis zu Jorge Semprún. Gibt es einen poetologischen Zusammenhang zwischen Muße und Erzählen? Klinkert untersucht dies anhand literarischer Texte in italienischer, französischer, spanischer und deutscher Sprache vom Mittelalter bis zur Gegenwart und zeigt, wie in diesen Werken das Erzählen aus Situationen der Muße heraus entfaltet und reflektiert wird. - Klinkert untersucht den poetologischen Zusammenhang von Muße und Erzählen anhand von literarischen Texten in italienischer, französischer, spanischer und deutscher Sprache vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Er zeigt, wie in diesen Texten das Erzählen als soziale Kommunikationshandlung oder als individueller Schreibvorgang aus Situationen der Muße heraus entfaltet wird oder aber wie die Muße Anlass gibt, über künftige Schreib- und Erzählhandlungen nachzudenken und diesen Vorschub zu leisten. Im diachronen Längsschnitt vom 13. bis zum 20. Jahrhundert wird nicht nur der grundlegende poetologische Nexus von Muße und Erzählen erkennbar, sondern es werden auch historisch je unterschiedliche Semantisierungen von Muße und die damit verbundenen unterschiedlichen Auffassungen von Individualität, Gesellschaft und Kommunikation erkennbar. Anhand von Texten wie dem "Roman de la Rose", Boccaccios "Decameron", Sannazaros "Arcadia", Montaignes "Essais", Cervantes' "Don Quijote", Rousseaus "Nouvelle Héloïse" und "Rêveries du promeneur solitaire", Chateaubriands "René", Senancours "Oberman", Stendhals "Rouge et Noir" und "Henry Brulard", Stifters "Nachsommer", Prousts "Recherche du temps perdu", Goytisolos "Señas de identidad" und Semprúns "Quel beau dimanche" arbeitet der Autor diese Zusammenhänge textanalytisch differenziert heraus. Muße erscheint dabei als Möglichkeitsbedingung für Produktion und Rezeption von Erzähltexten und zugleich als Reflexionsfigur, welche dazu dient, die poetologische Spezifizität des jeweiligen Textes in seinem historischen Kontext und seiner Selbsteinordnung in die literarische Reihe zu markieren. Damit schlägt Thomas Klinkert den Bogen von einer allgemein anthropologischen Betrachtung des Phänomens Muße hin zu dessen literarhistorisch spezifischer, narratologisch-poetologischer Beschreibung. IX,223 Seiten, gebunden (Otium. Studien zur Theorie und Kulturgeschichte der Muße; Band 3/Mohr Siebeck 2016) leichte Lagerspuren